Unfall mit Radfahrer auf dem Gehweg: Wer haftet?

Radfahrer auf dem Gehweg und plötzlich kracht es: Wer ist schuld, wenn es zum Unfall mit einem Auto kommt?

 

Diese Frage beschäftigt Gerichte immer wieder – zuletzt das Oberlandesgericht Schleswig im Mai 2025.

 

In diesem Beitrag erfahren Sie, wie die Haftung zwischen Autofahrern und Radfahrern bei solchen Konstellationen verteilt wird – und was Sie als Betroffener beachten sollten.

 

Ausgangslage: Radfahrer auf dem Gehweg – verboten oder erlaubt?

Nach der Straßenverkehrsordnung (§ 2 Abs. 1 StVO) dürfen Radfahrer grundsätzlich nur auf der Fahrbahn oder dem Radweg fahren. Das Fahren auf dem Gehweg ist nur Kindern unter 10 Jahren gestattet – und in Ausnahmefällen bei entsprechender Beschilderung (z. B. „Radfahrer frei“).

 

Fährt ein erwachsener Radfahrer auf dem Gehweg, handelt er also ordnungswidrig – mit Auswirkungen auf die Haftungsverteilung bei Unfällen.

 

Der Fall: Radfahrer auf Gehweg, Autofahrer biegt rechts ab

Im vom OLG Schleswig (Mai 2025) entschiedenen Fall bog ein Autofahrer rechts ab, ohne den von rechts kommenden Radfahrer zu sehen, der verbotswidrig auf dem Gehweg fuhr. Es kam zur Kollision.

 

Das Landgericht sprach dem Radfahrer zunächst Schadenersatz und Schmerzensgeld zu. Doch das OLG korrigierte: Haftungsverteilung 75 % (Radfahrer) zu 25 % (Autofahrer).

 

Die Begründung des Gerichts

Das Gericht stellte klar:

 

Der Radfahrer hat grob gegen die StVO verstoßen, indem er den Gehweg nutzte. Er hätte mit Fahrzeugen an Einmündungen rechnen und sich an den Verkehrsfluss halten müssen.

 

Der Autofahrer hat beim Abbiegen zwar die Sorgfaltspflicht verletzt (§ 9 Abs. 3 StVO), da er sich auch gegenüber unzulässig benutzten Verkehrsflächen grundsätzlich vorsichtig verhalten muss.

 

Dennoch wiegt der Verstoß des Radfahrers schwerer, da er den Verkehrsfluss durch seine regelwidrige Nutzung grundlegend gefährdet hat.

 

Bedeutung für die Praxis

Für Autofahrer:

Auch wenn der Radfahrer unrechtmäßig unterwegs ist, kann eine Mithaftung bestehen.

 

Vor allem beim Abbiegen oder Ausfahren aus Grundstücken gilt: Immer mit „Fehlverhalten“ anderer rechnen!

 

Wer in solchen Fällen langsam fährt und besonders aufmerksam ist, kann seine Haftungsquote senken.

 

Für Radfahrer:

Wer verbotswidrig auf dem Gehweg fährt, riskiert nicht nur ein Bußgeld, sondern auch erhebliche Mithaftung bei Unfällen.

 

Versicherer können Regress nehmen oder Zahlungen kürzen.

 

Besonders gefährlich wird es an Kreuzungen und Einmündungen – hier steigt die Unfallgefahr deutlich.

 

Versicherungsrechtliche Folgen

Im Falle eines Mitverschuldens reduziert sich die Leistung der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung entsprechend. Auch die eigene Unfallversicherung kann problematisch werden, wenn grobe Fahrlässigkeit unterstellt wird.

 

Wer als Radfahrer in einen Unfall verwickelt wird, sollte also:

 

  • den genauen Unfallhergang dokumentieren,

 

  • Zeugen sichern,

 

  • keine Schuldanerkenntnisse abgeben,

 

  • und rechtlichen Beistand suchen.

 

Rechtlicher Überblick: Relevante Vorschriften

Vorschrift          Inhalt

§ 2 StVO            Radfahrer müssen Fahrbahn oder Radweg benutzen

§ 9 StVO            Abbiegevorgänge: besondere Sorgfaltspflicht

§ 1 StVO            Gegenseitige Rücksichtnahme

§ 254 BGB          Mitverschulden bei Schadensverursachung

§ 823 BGB          Schadensersatz bei unerlaubter Handlung

 

Fazit: Wer auf dem Gehweg fährt, trägt das Risiko

Das Urteil des OLG Schleswig zeigt deutlich: Verkehrsverstöße wirken sich direkt auf die Haftungsverteilung aus.

Wer als Radfahrer unberechtigt auf dem Gehweg fährt, trägt bei einem Unfall die Hauptschuld – auch wenn der Autofahrer nicht alles richtig gemacht hat.

 

Für alle Verkehrsteilnehmer gilt: Regeln beachten, vorausschauend fahren und stets mit Fehlern anderer rechnen. So lassen sich nicht nur Unfälle, sondern auch langwierige Haftungsstreitigkeiten vermeiden.